http://www.pflegedaheim.at/cms/pflege/thema.html?channel=CH1864
http://www.fsw.at/export/sites/fsw/fswportal/downloads/broschueren/pflege_betreuung/DemenzAng.pdf
TV - Medizin - Reisereportagen - Politik
Infos für pflegende Angehörige von Demenzkranken
 
Im zweiundachtzigsten Lebensjahr lud mich mein Vater 2003 erstmals auf Urlaub ans Rote Meer ein. Meine Eltern ließen sich scheiden als ich 5 war. Danach war mein Vater noch 2x verheiratet und wir hatten eher spärlichen Kontakt miteinander.
 
Der Grund für diesen Sinneswandel wurde bei der Ankunft in Sharm El Sheikh
(Ägypten) bald ersichtlich. Ich ersuchte meinen Vater auf einer Strandliege zu verweilen bis ich von der Anmeldung im Diving-Center zurück bin. Bei meiner Rückkunft war er nicht mehr aufzufinden. Nach 2 Stunden machte ich mir Sorgen. Nach dem Zimmer und dem Hotelgelände lief ich die Strandpromenade entlang. Dort habe ich ihn auch wieder getroffen. Er hatte das Hotelareal verlassen und nicht mehr zurückgefunden. Jetzt war alles klar - er kam alleine nicht mehr zurecht!
 
Nur, die Doppelbelastung mit dem Job ertrug ich nicht lange. Den Alltag meines Vaters zu organisieren war bald nicht nur zeitraubend, sondern höchst nervenaufreibend. Zuerst holte ich mir Rat im neurologischen Krankenhaus ein und besorgte die nötigen Medikamente. Organisierte mobile Schwestern, die nach dem Frühstück die Tabletteneinnahme überwachten. Legte ihm ein Tagesnotizbuch an, wo ich den Tagesablauf und meine jeweilige Ankunft einschrieb. Natürlich rief er mich ständig an, weil er alle Angaben wieder  vergaß.
 
Die Überraschungen häuften sich. So wurde einmal der Türriegel abgesägt, der Wasserzulauf in der Toilette ausgerissen, worauf das Vorzimmer unter Wasser stand und ein anderes Mal beinahe die Küche abgefackelt, da er am Gasherd das Drücken des Aktivierungsknopfes und das Entzünden der Flamme nicht mehr koordinieren konnte. So drehte eine Zeitung zusammen – neben dem Küchenvorhang – und entzündete zuerst diese. Also besorgte ich ein Mikrowelllengerät, wo er nur 3 Minuten, wie bei der Eieruhr einstellen musste, das klappte ziemlich lange ganz gut.
 
Die psychische Belastung wurde bald so intensiv, dass ich eine Gesprächsrunde für pflegende Angehörige von Demenzkranken in der Arndtstraße aufsuchte.
 
Ich musste meinen Beruf aufgeben, besorgte eine Wohnung in dem Haus in dem ich eingemietet bin. Damit er körperlich nicht so rasch abbaut erdachte ich div. Bewegungsübungen, so ließ ich ihm z.B. einen Ball fangen und zurückwerfen.
Das Langzeitgedächtnis war eigentlich kaum betroffen. Er erzählte viel, oft und wiederholt aus der Jugend und späterer Jahre.
 
Mit der Zeit bin ich ganz gut mit der Betreuung zurechtgekommen. Man wächst mit den Schwierigkeiten. Natürlich nahmen die Fehlleistungen zu. Ich musste sogar ein Schloss am Eiskasten anbringen. Er hatte vergessen schon gegessen zu haben, nahm Tiefkühlspeisen aus dem Eiskasten, gab sie in ein Metall-Reindl und stellte es in die Mikrowelle. Als ich die Wohnung betrat, war schon ein leichter Brandgeruch zu vernehmen. Oft war ich mit einer Protesthaltung konfrontiert, weil er nicht begriff, warum er so unter kuratel stand. Wenn ich einmal allein das Haus verließ, musste ich ihn einsperren, wobei er eine Beschwerde bei der Polizei androhte.
 
Ich hatte Angst vor der Zeit, wo er mich nicht mehr als seinen Sohn erkennen würde. Er hatte aber auch helle Momente in denen er seine Dankbarkeit zeigte, oder wir sogar Schach spielen konnten. Nach 4 Jahren meiner Bemühungen verstarb er an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
 
Froh war ich darüber, noch zu Lebzeiten Frieden mit ihm geschlossen zu haben und eine etwas komplizierte aber doch noch herzliche Vater-Sohn-Beziehung erlebt zu haben!
PUBLIC-REALITY